face the wall & rest the body
nach gut drei monaten in legon kam der tag, an dem die studizeit hier in ghana dem ende nahe war. mit wenig missmut sah ich dem tag entgegen. die letzten wochen waren nebst dem abschlussstress mit prüfungen und abgaben auch sonst herausfordernd. ein ende ist immer auch ein neuanfang – so wie ein mangobaum, welcher im botanischen garten von legon seine wurzeln schlägt.

mit chiara, einer geschätzten mitstudentin der ‚university of ghana‘, ging es los, um weiter land & leute kennenzulernen. unsere bildschirm bedingten viereckigen augen gönnten wir eine pause, indem wir unser handy ausschalteten und für die nächsten 10 tage weglegten.
erstmals ging es östlich in die volta region nach ‚ho‘. die anfahrt mit trotro wäre eigentlich ganz entspannt gewesen, doch die junge deutsche freiwillige, welche schon ein jahr im lande war und dummerweise neben mir sass, hatte schlechte laune. die gründe für ihre unzufriedenheit versuchte sie mir zu erläutern, doch hatte ich gar keinen kopf und verständnis dafür & ignorierte sie gekonnt. diese form der wortwörtlichen nonverbalen kommunikation wurde dann nach gut 30 minuten verstanden. am tag darauf wurde ‚hohoe‘ angefahren & bei mr. adom eingecheckt. der plan wäre gewesen, den höchsten berg von ghana zu besteigen. unsere intention und motivation dazu war unbestritten – doch unser orientierungssinn im offline-modus spielte uns einen streich. so bestiegen wir einen anderen berg & wurden dafür mit einer guten sicht auf den höchsten berg von ghana, den mt. afadjato (885 m) belohnt. zur abkühlung diente der nahegelegene, höchste wasserfall von westafrika – der wli wasserfall.



die grüne umgebung tat gut und weckte das bedürfnis nach mehr natur. in der ‚mountain lodge‘ in biakpa gab es viel & noch mehr davon – wunderschöne natur mit vielen baobab bäumen. die landschaft sieht ein wenig so aus wie im centovalli. bei den noch jungen angestellten kam für unsere bewirtung nur situativ freude auf. überraschend mussten wir zur kenntnis nehmen, dass die bestellung für das abendessen um 19.29 bereits zu spät ist – da ab 19.30 keine bestellungen mehr entegegen genommen werden. so gab es dann mitgebrachte avocado, crackers – und eine augenrollende bewegung unsererseits zum abendessen. am nächsten tag unternahmen wir dank einem reichhaltigen frühstück eine wanderung nach amedzofe, dem höchstgelegenen dorf in ghana. vorbei an kakao plantagen, cassavapflanzen und einigen kräftig grünen bäumen kamen wir etwas verschwitzt zuerst im amedzofe und später auf dem mt. gayito an. der berg heisst heute eigentlich mt. gemi, deutsche evangelische missionar*innen hatten 1939 dort ein kreuz installiert. angeblich konnten sie den originalen namen nicht aussprechen und benannten den berg eigenhändig um (german missionars = gemi).





vom element erde ging es zum element wasser nach akosombo an den volta lake. für alle kreuzworträtsler*innen: dieser ist weltweit der flächenmässig grösste, künstlich angelegte see und produziert einen teil strom für ghana und die umliegenden länder. es wäre schön gewesen, mit der frachtschiff-fähre die 3-5 tägige reise in den norden (oder zurück) zu bewältigen. doch die fähre ist derzeit leider kaputt.

so ging es mit dem trotro nach kumasi. da auch mein tolino kaputt ging, versuchte ich das buch ‚home going‘ von yaa gyasi zu finden – bei der knust uni wurde ich letztendlich fündig (leseempfehlung!). der grösste open-air markt von westafrika ist wie erwartet busy und für mich unübersichtlich. weiter haben wir den ashanti-king-palast angesehen, welcher heute als museum dient. ein beispiel für weiterhin bestehende post-koloniale machtstrukturen: aktuell ist eine ausstellung mit raubgold zu sehen, welches die briten den ashantis im 18. jh. gewaltsam entzogen. die gegenstände sind von england ausgeliehen und nach wie vor nicht rechtsmässig den eigentlichen eigentümer*innen überschrieben.
nach über zehn tagen ohne handy kam der extrinsisch motivierte moment, an dem ich mein handy wieder dem funknetz zuführte. der freie geist weichte der erreichbarkeit und die ruhe der musik. am lake bosumtwi wurde dann kurzerhand der ruhe wieder mehr raum gegeben. ein misslungener versuch sich dem element feuer zu widmen bzw. dieses zu entfachen, brachte uns nicht aus der ruhe, der vollmond dafür ein gefühl davon. ebenso schmeckte der rotwein und das nächtliche bad war kitschig-erfrischend.

der weg in den norden – genauer nach tamale – musste ersneakt werden. tickets hatte es nur noch eines übrig. in letzter sekunde erschienen alle personen, welche sich im voraus vorbildlich ein ticket gekauft haben. die sicherheitsbeauftragte des busunternehmens missbilligte unser vorschlag, dass eine person am boden sitzen kann. da blieb uns nichts anderes übrig, als mit dem taxi zu einem anderen busunternehmen zu fahren. der taxifahrer folgte dem busfahrer – ein paar hundert meter nach verlassen des busbahnhofes gab er dem busfahrer aufdringliche signale durch lichthupe und machte auf sich aufmerksam. der bus hielt, der busfahrer stieg aus und winkte uns zum bus mit einem breiten grinsen auf seinem gesicht. das letzte ticket wurde unter der hand verkauft und die zweite person fuhr gratis mit – am boden. für diesen service bekam der taxifahrer ein paar cedis vom busfahrer. der inoffizielle platz im bus ist dank der beinfreiheit einer der besten, nur die vielen toten polizist*innen auf der strasse rüttelten den bus regelrecht durch. ja, keine panik – tote polizist*innen werden hier die speedbumps genannt. in tamale angekommen wurden wir von der wärme empfangen. die zwischenzeitlich kühlen temperaturen im süden sind im norden zu dieser zeit nur im bus oder kühlschrank vorhanden. richtig, ich übertreibe völlig.
tamale diente als zwischenstopp, um baba zu treffen. gemeinsam geht es nach bolgatanga. danso wird einen tag später eintreffen. trotz dessen, dass baba eine nachtbusfahrt hinter sich hatte, war er in seiner humorvollen art am sprudeln. angekommen quartierte er uns in ein guest house ein. ‚rest the body‘ erstmals, meinte baba. am abend gab es im guesthouse eine feine groundnut-soup mit ‚face the wall‘ – ein gericht aus verstampftem, getrocknetem cassava – ähnlich wie fufu. baba war ganz aufgeregt uns seine organisation ‚mama ladi‘ vorzustellen – gut 20 minuten motorradfahrt trennte uns davon. viele kinder begrüssten uns, mama ladi war ebenfalls da. es wurde gesungen, getanzt & gegenseitige wertschätzung ausgetauscht. chiara und ich waren beide etwas überfordert von so viel aufmerksamkeit. mit danso bekamen wir am tag darauf eine ganzheitliche vorstellung der organisation. mama laadi ist gemeinschaftskrankenschwester, welche es sich zur lebensaufgabe gemacht hat, kindern ein zuhause zu geben, die ohne eigenes verschulden von ihren familien verlassen wurden. mama laadi selbst war früher ein strassenkind. die meisten kinder, die in mama laadis pflegeheim leben, sind entweder opfer von missbrauch oder ‚geistkinder‘ – kinder, die mit einer behinderung geboren wurden und als von bösen geistern besessen gelten. die glücklichen unter ihnen werden ’nur‘ auf der strasse sich selbst überlassen, während viele geistkinder von örtlichen heiler*innen mit giftigen mischungen getötet werden, um den angeblichen bösen geist zu vertreiben. ihr pflegeheim ist kein gewöhnliches waisenhaus; es funktioniert wie ein familiensystem, in dem die kinder wie in einer echten blutsfamilie betreut und geliebt werden. einige von ihnen, wie z.b. baba haben inzwischen eine hochschule abgeschlossen und arbeiten, während andere noch zur schule gehen. die kinder wie auch ehemals betreute kinder drücken mama ladi ihre bewunderung aus und danken ihr für die liebe und fürsorge, die sie und die betreuer*innen ihnen entgegenbringen.


die organisation bietet auch eine form von kita an, damit die teils alleinerziehenden oder finanziell belasteten familien durch diese unterstützung ein einkommen generieren können. damit soll präventiv gehandelt werden, um den eltern die verantwortung für ihre kinder ermöglichen zu können. ein solches angebot ist in dieser region vorerst einmalig, grundsätzlich sieht sich die extended family dafür in der verantwortung. die organisation wird zu 25% von der ngo ‚afrikids‘ finanziert. die restlichen 75% ist von spendengeldern abhängig.
weiter durften wir junge frauen kennenlernen, welche bei ‚mama ladi‘ gross wurden und heute dank der organisation ‚tractors for africa‘ ein training erhalten um zu lernen, wie traktoren zu fahren, anwenden und zu unterhalten. diese form von skill training in einer männerdomäne ist eindrücklich, die jungen frauen sind sichtlich stolz auf sich und ihr können. alles in allem macht die organisation ‚mama ladi‘ auf mich einen guten eindruck, wie sie mit den kindern arbeiten und multiperspektiv versuchen in dem strukturarmen umgebung menschen vor elend und armut zu bewahren.

am tag darauf ging es auf 2 rädern weiter nördlich um ein ‚krokodil sanctuary‘ zu besuchen. im dorf paga gibt es ein resservoir, in welchem gut 200 krokodile leben. diese sind nicht etwa eingesperrt, sondern leben frei in der gemeinschaft. angeblich gab es bisher keine probleme zwischen mensch und tier – eier legen die krokodile angeblich bevorzugt in von menschen bewohnten gebieten. etwas mulmig war es mir dann schon, als der guide uns anbot, das krokodil anzufassen. doch dieser gelegenheit konnte ich nicht wiederstehen. die grenze zu burkina faso war nur ein paar kilometer entfernt – einen blick auf die andere seite konnten wir erhaschen.



zurück in bolga gab es abendessen bei baba’s familie. wir wurden herzlichst empfangen und mit bester gesellschaft und nahrung versorgt. die letzten monate durfte/musste ich mich immer chaffieren lassen, so genoss ich den rollenwechsel als moto-taxi-fahrer fungieren zu dürfen und menschen aus dem umfeld von baba bewegen zu dürfen.

abschiede sind nicht einfach, so auch von baba und danso nicht. überhäuft mit schönen glückwünschen und geschenken stiegen danso, chiara und ich in den nightbus von bolgatanga nach accra. in der morgenfrühe kamen chiara und ich dort an und gingen gleich weiter per trotro nach keta. ein paar tage meer, sonne und entspannung. es wartet ein neuer abschnitt: ein guter freund von mir ist derzeit im flugzeug in richtung accra.

I liebe dini texte! Danke fürs teile. So super guet gschribe und so interessant für mi!