edelweiss & kokosnuss
zu beginn gibt es eine quizfrage: warum zählt das kontaktieren von schweizerischen und deutschen küchenbauer*innen, elektriker*innen und abflussreiniger*innen gerade zu meinen hobbys? die auflösung folgt am schluss.
aktuell habe ich noch gut zwei wochen studium vor mir, bevor die prüfungen bzw. abgabetermine anstehen. wobei es lediglich zwei sein werden, das soziologiemodul besuche ich als audit – da die credits mich nicht schneller an meinen abschluss bringen würden. die module sind nach wie vor intensiv. leistungsnachweise gibt es teilweise wöchentlich und nach strikten vorgaben – kein vergleich zu was ich mir gewohnt bin. das ‚bossy‘ verhalten der dozierenden finde ich zunehmends anstrengend, das hierarchiegefälle wird immer wieder klar definiert. die dozierende vom gender modul erklärte es mir so, dass sie sich so verhalten muss, damit die studierenden den unterricht nicht auf die leichte schulter nehmen. doch ich sehe das weiterführende studium als eine weiterbildung, welche intrinsische motivation voraussetzt. naja, ich werde mich damit arrangieren.


vor ein paar wochen sind wir übers wochenende zu viert nach cape coast gereist. nebst dem entspannenden hostel war die reise dem ‚castle‘ gewidmet. die festung wurde im jahr 1653 von den schweden errichtet und diente zuerst als handelszentrum. 1663 eroberten die dänen sie, und 1664 übernahmen die briten. cape coast castle wurde einer der grössten sklavenumschlagsplätze der welt. heute steht die burganlage auf der liste des unesco-weltkulturerbes. bei einer führung in cape coast castle gelangt man in die kerker, welche unter der kirche platziert sind. damals gab es hier unten kein licht. die feuchtigkeit und hitze sind selbst nach wenigen minuten unerträglich. pervers ist der fakt, dass das gestöhne der menschen im kerker in den gottesdiensten zu hören war. bis zu 2000 menschen wurden damals ohne kleidung und in völliger dunkelheit aneinander gekettet festgehalten. während ihrer ‚wartezeit‘ sahen sie keinen einzigen sonnenstrahl. es gab keine sitzgelegenheiten oder schlafplätze, nur den harten steinboden. es gab keine orte, um das alltägliche ‚geschäft‘ zu verrichten. essen wurde den menschen quasi vor die füsse geworfen. bis zu drei monate blieben sie dort, bevor die überlebenden gebrandmarkt auf die schiffe verladen wurden. die führung führt weiter zu einem tor, welches nach draussen zum strand führt. über der tür steht ‚door of no return‘. wenn man diese tür damals durchschritt, gab es keinen weg zurück. man verliess nicht nur die festung, sondern auch festen boden und sein heimatland für immer. mich nahm die ganze führung emotional stark mit.






weiter habe ich das nahegelegene elmina castle angeschaut, welches für die ähnlichen zwecke diente.



ende mai fand an der university eine international week statt. kurz nach meiner abreise wurde für den anlass auch darum gebeten, traditionelle kleidung mitzunehmen. da ich das für eine sehr ernste angelegenheit gehalten habe, nahm ich kontakt zur schweizerischen botschaft in accra auf… und tatsächlich, ‚t‘, ein zwischenzeitlich wieder in der schweiz lebender offizier von der kofi annan international peacekeeping training centre (KAIptc), meldete sich, er habe noch ein edelweiss-hemd, welches er mir vererben möchte. so traf ich ihn am KAIPTC und er zeigte mir den campus, in welchem gerade ein kongress mit wenigen zivilen und mehrheitlich UN-, polizei- und militärvertreter*innen vom ganzen kontinent stattfand. das thema war ‚child protection‘, welches von einer ghanaischen militärbeauftragten durchgeführt wurde. die schweiz unterstützt das KAIPTC in ghana. seit 2006 engagieren sich mitglieder des schweizer militärs im lehrbetrieb des zentrums und fördern damit die ausbildung in zivilen und militärischen friedensaufbaumassnahmen. diese beteiligung ist teil der schweizerischen bemühungen für friedensbildung (quelle: EDA). der einblick war spannend, eine mir bisher unzugängliche welt. ‚t‘ mit seiner sprudelnden lebensenergie lädt weitere ch-studierende von der uni zu seinem abschlussbrunch ein, da sein einsatz hier nach zwei jahren beendet ist. am brunch waren u.a. botschaftsmitglieder und deren angehörige anwesend. kaffee, gipfeli, spätzli zu replay-alphorn gebläse auf einem im fast-smog stehenden rooftop in accra bei 33 grad, ist eine ungewohnte kombination.
ach ja, und die international week war dann doch nicht ganz so pompös, wie ich mir das zu beginn vorgestellt habe… zudem, unsere traditionskleidung fällt hier nicht auf. so trage ich das edelweisshemd auch im alltag.

wenn wir schon bei bünzlis sind, ein update über das lieblings-smalltalk-thema… das wetter. es ist noch immer warm, doch sollte es eigentlich viel mehr regnen als es tatsächlich tut. gelegentlich regnet es wie unter einer dusche, doch oftmals auch nur kurz und fein. die locals meinen alle, das sei nicht normal… trotz allem, es ist so viel kälter, dass der ventilator nicht mehr auf stufe 3 dreht, sondern auf stufe 2. zeigt das thermometer weniger als 25 grad an, kommt schon mal der gedanke an einen pulli auf. übrigens, es werden auch in ghana winterjacken verkauft und getragen. menschen, welche ich bei der hitze auf der strasse mit einer winterjacke herumlaufen sah, sagen mir, sie haben malaria.

zur zeit gönne ich mir fast täglich eine frische kokosnuss. so auch auf einem tagesausflug an den sunflower beach, ca. 2h fahrt von accra entfernt.




nebst den schönen und teils intensiven erlebnissen hier, beschäftigt mich zur zeit meine persönliche perspektive bei der rückkehr im september. da sich in den letzten wochen meine ausgangslage komplett auf den kopf gestellt hat, werde ich mich in vielerlei hinsichten in eine neue lebenswelt begeben. die distanz lässt mich zum einen bei mir sein, zum anderen fühlt sich die weitere lebensplanung wie auf dem reissbrett an.

so, genug talkytalky – zur auflösung des quizes: bei off-campus aktivitäten fallen mir immer wieder trotro’s auf, welche vor ihrem export aus europa teils als elektro- oder küchenbaufahrzeuge genutzt wurden. die schriften kleben noch an den fahrzeugen. da machte ich es mir zum hobby, die teils insolventen firmen ausfindig zu machen und ihnen ein foto von ihrem ehemaligen fahrzeug zuzustellen. die begeisterung von diesem hobby scheint mehr mein ding zu sein, antworten habe ich bisher nur eine bekommen.

Lieber Tobias
wie immer lasse ich alles liegen, wenn dein newsletter kommt. ich bin immer sooo gwundrig auf deine berichte!
Ich finde das absolut grossartig, was du alles machst, wie du es erlebst und wie du denkst und fühlst.
das ist mega schwach von diesen schweizer firmen, dass sie auf deine fotos nicht reagieren. wenn mir einer aus Afrika schreiben würde, dass der meinen transporter gesehen hat, würde ich wahrscheinlich gleich eine reise buchen und dorthin fliegen!
geniess es weiterhin und halte uns daheimgebliebenen spiesser auf dem laufenden!
Danke tobi! Wie immer spannend und unterhaltsam geschrieben. Manche dinge hallen später in meinem Kopf noch nach, was ich sehr schätze, um zwischendurch eine abwechslung im arbeitsalltag zu haben (auch wenn das mein fernweh wieder etwas antreibt)
Hammer text und prägende bilder.
Thanks tobii.
It was brilliant. It made me go on YouTube and search about alphorn. I just wanted to imagine right about that afternoon brunch situation :))
Keep it up!